Ein unwirtlicher Planet
Venus ist nicht nur unser nächster Nachbar, auch ihre Größe und Masse ähneln unserem Heimatplaneten wie kein anderer Planet im Sonnensystem. Ihr Radius ist nur etwa fünf Prozent kleiner und ihre Dichte, innerer Aufbau sowie die chemische Zusammensetzung sind kaum von der Erde zu unterscheiden. Doch so sehr sich Erde und Venus unter der Oberfläche gleichen, so unterschiedlich sind sie darüber. Als 1962 die US-amerikanische Raumsonde “Mariner 2” bei einem Vorbeiflug Mikrowellen-Radiomessungen der Venus durchführte, offenbarte sich ein völlig neues Bild unseres Nachbarn. Die Daten bewiesen, dass die Temperatur an der Oberfläche zwischen 500 bis 1000 Kelvin (der moderne Wert liegt bei 760 K) betragen muss, und das fast unabhängig von Tag und Nacht und den Breitengraden. Das bedeutet noch größere Hitze als auf dem sonnennäheren Merkur. Fünf Jahre später gelang mit “Mariner 5” ein weiterer Durchbruch in der Venusforschung. Der Druck an der Venusoberfläche wurde bestimmt, und zwar auf einen Wert, der die Verhältnisse auf der Erde sogar um das 90-fache übersteigt.
Ursächlich verantwortlich für die extremen Temperatur- und Druckbedingen ist die mehrschichtige Wolkendecke der Venus, die zu 97 Prozent aus dem Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) besteht. Ähnlich wie die Glasoberfläche eines Treibhauses verhindert das CO2 in den Wolken, dass Wärme ins Weltall abgestrahlt wird (vgl. globale Erwärmung auf der Erde). Lediglich oberhalb der Wolkenobergrenze herrscht eine tiefe Temperatur von -90°C. Die besonders in der Äquatorgegend aufgenommene Wärme wird im Verlaufe einer periodischen Strömung mit 4-tägigem Zyklus nahezu gleichmäßig auf die gesamte Planetenoberfläche verteilt. Die abgekühlten Luftschichten sinken über den Polen ab und werden wieder in die Äquatorgegend zurückverfrachtet.
Für eine weitere Überraschung sorgten die ebenfalls in den frühen 1960er Jahren durchgeführten erdgebundenen Radarmessungen. Es zeigte sich, dass ein siderischer Venustag ungewöhnlich lange dauert, nämlich etwa 243 (Erd-)Tage. Damit rotiert Venus so langsam wie kein anderer Planet im Sonnensystem um die eigene Achse. Ihre Rotationsrichtung ist außerdem rückläufig. Das heißt, anders als die Mehrheit der Objekte im Sonnensystem rotiert Venus von Norden aus gesehen auf die Ekliptik blickend im Uhrzeigersinn, und somit auch entgegen der eigenen rechtläufigen Umlaufrichtung um die Sonne.
Im Zuge der zahlreichen sowjetischen “Venera” Missionen, die bis in die 1980er Jahre andauerten, gelang es 1970 erstmals mit einem Lander die Oberfläche zu erreichen und von dort neue wissenschaftliche Daten zu gewinnen. “Venera 9” und “Venera 10” übermittelten 1975 die ersten Fotos von der Oberfläche unseres Nachbarplaneten (siehe Abbildung 1), die über die Beschaffenheit der Landestellen Aufschluss gaben und später noch durch erste Farbbilder der Sonden “Venera 13” und “Venera 14” (1982) übertroffen wurden. Alle Bilder zeigen abgeflachte Gesteinsbrocken von unregelmäßiger Form.
Erste großflächige Karten der Venusoberfläche wurden 1979 mittels wolkendurchdringenden Radarmessungen an Bord des US-Orbiters “Pioneer Venus 1” erstellt und spätere Radarbilder von “Venera 15” und “Venera 16” (1984/85) zeigten schließlich, dass es auf der Venusoberfläche Krater und Gebirgszüge gibt. Dabei wurden zunächst vor allem zwei große Gebirgsregionen vermessen, das sog. Alpha- und Betagebirge. Praktisch die gesamte Oberfläche wurde ab 1990 mit verbesserten Radarinstrumenten des US-Orbiters “Magellan” erstellt. Venus wurde damit über einige Jahre hinweg mit einer Auflösung von bis zu ca. 100m vollständig kartografiert (siehe Abbildung 2). Dabei stellte sich heraus, dass Venus von Einschlagskratern mit Durchmessern von einigen Kilometern bis zu 300km übersäht ist. Es gibt kaum kleinere Krater, da viele Gesteinsbrocken an der dichten Atmosphäre am Eindringen gehindert werden.
Am 11. April 2006 schwenkte erstmals auch ein europäischer Satellit in den Venusorbit ein. “Venus Express”, so der Name des Erfolgsprojektes der Europäischen Weltraumorganisation (European Space Agency; ESA), sammelte bis ins Jahr 2016 unentwegt wissenschaftliche Daten, vor allem über die Atmosphäre und die Oberfläche des Planeten. Das Projekt brachte neue bedeutende Erkenntnisse. Beispielsweise waren sich die meisten Wissenschaftler in den frühen 2000er Jahren noch weitgehend darüber einig, dass trotz der unzähligen Lavafelder und Vulkane, die vulkanische Aktivität auf der Venus schon vor 500 bis 1000 Millionen Jahren zum Erliegen kam. Ein Umdenken setzte allerdings ein, als “Venus Express” gleich mehrere Hinweise lieferte, die auf kürzlich stattgefundene Aktivität schließen lassen (siehe auch Abbildung 3):
- Die Variabilität des Schwefeldioxod-Gehalts (SO2) in der Atmosphäre über viele Jahre hinweg (siehe “Atmospheric Changes” in Abbildung 3) kann durch Vulkanausbrüche erklärt werden.
- Die gemessenen Temperaturschwankungen an der Oberfläche auf einer Zeitskala von wenigen Tagen (siehe “Transient Hot Spots” in Abbildung 3) deuten auf oberflächennahe Aktivität hin.
- Ein ungewöhnlich dunkles Gebiet mit erhöhter Nah-Infrarot Emissivität kann als relativ junges Lavafeld mit einem Alter von weniger als 2.5 Million Jahren interpretiert werden.
Weitere Beiträge leistete “Venus Express” zur Erforschung des Polarwirbels (polar vortex), zum Venus-Magnetfeld das erst durch den Sonnenwind induziert wird (Venus selbst hat kein eigenes Magnetfeld), sowie zur Eigenrotation des Planeten, welche Rückschlüsse auf das Innere des Planeten zulässt.
Der jüngste Venusorbiter heißt “Akatsuki” und kommt aus Japan. Er wurde bereits 2010 gestartet, aber aufgrund eines technischen Defekts schwenkte “Akatsuki” zunächst nicht auf seine vorbestimmte Bahn um den Planeten, sondern in eine Sonnenumlaufbahn ein. Erst Ende 2015 gelang es den Ingenieuren, den Satelliten zurück auf seinen Kurs um den Planeten zu bringen. Die ersten wissenschaftlichen Messungen begannen somit erst im Jahr 2016. Da die Mission hauptsächlich auf Langzeituntersuchungen der Dynamik der Venusatmosphäre abzielt, sind erste Ergebnisse erst innerhalb der nächsten Jahre zu erwarten. Stay tuned…
Venus beobachten
Venus ist nach Sonne und Mond das dritthellste Objekt am Himmel. Das haben wir nicht nur ihrer Nähe, sondern vor allem der hohen Rückstrahlfähigkeit (auch Albedo) ihrer dichten Wolkendecke zu verdanken. Sie ist abwechselnd Morgen- und Abendstern, wobei die Morgensichtbarkeit in die Zeit der westlichen und die Abendsichtbarkeit in die Zeit der östlichen Elongation fällt. Mit einem kleinen Teleskop oder Feldstecher eröffnen sich ausgeprägte Phasen (da Venus ein innerer Planet ist). Die Oberfläche bleibt dem Beobachter aber wegen der dichten Atmosphäre stets verborgen. Ambitionierte Astrophotografen können aber unter guten Bedingungen mit Hilfe von UV Durchlass-Filtern Strukturen in den oberen Atmosphärenschichten erfassen. Da sich die Wolkenbänder sehr rasch bewegen, nämlich in nur vier (Erd-)Tagen einmal um den Planeten (zum Vergleich: die Rotationsdauer beträgt 243 Tage), lässt sich sogar mit relativ einfachen Mitteln bereits erahnen, welche gewaltigen Kräfte in der Venusatmosphäre zugange sind.
Eine weitere Besonderheit, die sich bei Venus ergibt ist die Möglichkeit eines Venustransits, dem scheinbaren Durchgang des Planeten vor der Sonnenscheibe. Venustransits sind jedoch selten und der nächste wird erst wieder am 11. Dezember 2117 stattfinden.
Eigenschaften des Planeten Venus
Venus | Erde | Ratio Venus/Erde |
|
---|---|---|---|
Rotationsperiode siderisch in Tagen | 243.03 | 1 | 243 |
Äquator-Radius in km |
6052 | 6378 | 0.949 |
Pol-Radius in km |
6052 | 6356 | 0.952 |
Masse in 1024 kg |
4.869 | 5.9736 | 0.815 |
Volumen in 1010 km3 |
92.843 | 108.321 | 0.857 |
durchschn. Dichte in kg/m3 |
5240 | 5520 | 0.949 |
Gravitation (Oberfläche) in m/s2 |
8.87 | 9.78 | 0.907 |
Eigenschaften der Umlaufbahn des Planeten Venus
Venus | Erde | Ratio Venus/Erde |
|
---|---|---|---|
durchschn. Entf. von Sonne in 106 km |
108.2 | 149.6 | 0.723 |
siderische Umlaufszeit in Tagen |
224.701 | 365.256 | 0.615 |
tropische Umlaufszeit in Tagen |
224.695 | 365.242 | 0.615 |
Perihelabstand in 106 km |
107.5 | 147.1 | 0.731 |
Aphelabstand in 106 km | 108.9 | 152.1 | 0.716 |
durchschn. Umlaufs- geschw. in km/s |
35.02 | 29.79 | 1.176 |
Bahnneigung in Grad | 3.39 | 0.00 | – |
Exzentrizität | 0.2056 | 0.0167 | 12.311 |